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Wirtschaft

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Unter der Leitung von Prof. Dr. Lars Kirchhoff und Dr. Felix Wendenburg hat das Institut im Kernbereich Wirtschaft von 2008 bis 2023 den Paradigmenwechsel im unternehmerischen Konfliktmanagement, der u.a. in der Etablierung von Konfliktmanagementsystemen seinen Ausdruck findet, erforscht und begleitet. Dabei hat es eng mit Wissenschaftlern und Pionierunternehmen, die sich für eine strukturelle Optimierung und nachhaltige Systematisierung von Konfliktbearbeitung in der deutschen Wirtschaft einsetzen, kooperiert. Mittlerweile sind die im folgenden aufgeführten Projekte im Bereich Wirtschaft abgeschlossen. Die wissenschaftliche Begleitung des Round Table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft (RTMKM) wird von Jenny Laube fortgeführt.

 

Studienserie zu Konfliktmanagement in der Wirtschaft

Die Praxis des Konfliktmanagements in deutschen Unternehmen war Gegenstand einer auf zehn Jahre angelegten, auch international viel beachteten Studienserie, die von 2004 bis 2016 in Kooperation mit der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) und unter Mitwirkung von Studierenden des Master-Studiengangs Mediation und Konfliktmanagement durchgeführt wurde. Im Rahmen der 2011 veröffentlichten dritten Studie wurde insbesondere das „Viadrina-Komponentenmodell eines Konfliktmanagement-Systems“ vorgestellt, das nach wie vor als Referenzrahmen für die Etablierung bzw. Professionalisierung der Konfliktmanagement-Strukturen zahlreicher Unternehmen und Organisationen dient.

Die erste Studie „Commercial Dispute Resolution - Konfliktbearbeitungsverfahren im Vergleich“ (2005) stellt nach einer empirischen Auswertung der Aussagen von 158 deutschen Unternehmen zu Fragen der Nutzung von Gerichtsverfahren und verschiedener außergerichtlicher Verfahren, Vorstellungen und Präferenzen bezüglich dieser Verfahren eine deutliche Diskrepanz fest: deutsche Unternehmen folgen bei der Wahl des am besten geeigneten Konfliktbearbeitungsverfahrens für Konflikte zwischen Unternehmen (B2B) nicht ihren eigentlichen Präferenzen mit Blick auf die Vorteilhaftigkeit der jeweiligen Verfahren: während das Gerichtsverfahren abstrakt als wenig vorteilhaft eingeschätzt wird, wird es oft genutzt, bei alternativen Verfahren ist es umgekehrt.

Studie "Commercial Dispute Resolution", 2005

Die zweite Studie „Praxis des Konfliktmanagements deutscher Unternehmen. Ergebnisse einer qualitativen Folgestudie zu `Commercial Dispute Resolution Konfliktbearbeitungsverfahren im Vergleich`“ (2007) geht dieser Diskrepanz im Wege einer qualitativen Nachbefragung nach und stellt fest, dass die Diskrepanz insbesondere auf das Fehlen einer systematischen Herangehensweise zurückzuführen ist: hilfreich für die Wirtschaft wäre ein Konfliktmanagement-System, das es ermöglicht, jeden Konflikt zu klassifizieren und auf der Basis dieser Einordnung einer sachgerechten Bearbeitung zuzuführen.

Studie "Praxis des Konfliktmanagements deutscher Unternehmen", 2007

Die dritte Studie „Konfliktmanagement – Von den Elementen zum System“ (2011) entwirft als Konzept-Studie die Blaupause eines solchen Konfliktmanagement-Systems, indem sie vorhandene Elemente des Konfliktmanagements in deutschen Unternehmen (Betriebsräte, Verfahrensklauseln, Ombudsstellen etc.) zu funktionalen Komponenten bündelt (Konfliktanlaufstelle, Systematik der Maßnahmen- und Verfahrenswahl, Konfliktbearbeiter etc.) und beschreibt, unter welchen Bedingungen unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten von einem echten Konfliktmanagement-System die Rede sein kann – und wie die Etablierungswege dorthin aussehen.

Studie "Konfliktmanagement - Von den Elementen zum System", 2011

Die vierte Studie „Konfliktmanagement als Instrument der werteorientierten Unternehmensführung“ (2013) ist wiederum als Konzept-Studie angelegt. Sie liefert Handlungsempfehlungen für die Etablierung eines Systems für Konfliktmanagement und untersucht, wie sich Konfliktmanagement im Führungs- und Risikomanagement-System des Unternehmens verankern lässt. Besonders Unternehmen, die bereits erste Komponenten eines Konfliktmanagement-Systems eingeführt haben und ihr System noch effektiver und nachhaltiger gestalten möchten, finden in der Studie viele Anregungen für Verbesserungen und Qualitätsmanagement.

Studie "Konfliktmanagement als Instrument werteorientierter Unternehmensführung: Qualitätsmanagement, Risikosteuerung, Controlling", 2013

Die abschließende fünfte Studie „Konfliktmanagement in der deutschen Wirtschaft – Entwicklungen eines Jahrzehnts“ (2016) greift den empirischen Ansatz der ersten Studie aus dem Jahr 2005 auf und untersucht die Entwicklungen, die sich nach einem Zeitraum von zehn Jahren messen lassen. Im Ergebnis lässt sich mit Blick auf die Nutzungszahlen alternativer Konfliktbeilegungsverfahren zwar keine Revolution, wohl aber eine spürbare Evolution feststellen, die bei den im Round Table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft (RTMKM) zusammengeschlossenen Unternehmen deutlicher ausfällt als in der Vergleichsgruppe derjenigen Unternehmen, die keinen klaren Fokus auf das Thema Konfliktmanagement gerichtet haben. Zudem lassen sich qualitative Veränderungen in der Entscheidungs-, Führungs- und Konfliktkultur von Unternehmen identifizieren, die sich mit der Frage guten Konfliktmanagements aktiv auseinandersetzen.

Studie "Konfliktmanagement in der deutschen Wirtschaft – Entwicklungen eines Jahrzehnts", 2016

Unabhängig vom jeweiligen Etablierungsgrad der Konfliktmanagement-Maßnahmen hat es sich bei zahlreichen Präsentationen und Strategiesitzungen in Organisationen, die sich mit der Einführung oder Optimierung eines Konfliktmanagement-Programms oder eines Konfliktmanagement-Systems befassen, als wertvoll erwiesen, die Kerngrafiken der Studienserie einzusetzen. Zu diesem Zweck findet sich hier eine Präsentation mit den folgenden fünf Grafiken:

1. Darstellung der Diskrepanz zwischen Wunsch und Handeln in der Konfliktbearbeitung (Studie I)

2. Viadrina-Komponentenmodell eines KMS (Studie III/IV)

3. Seesternmodell eines Gesamt-KMS (Studie IV)

4. Conflict Spider Konfliktsensibilitäts- und Interventionsprofil eines Unternehmens (Studie IV)

5. Conflict/Risk Map (Studie IV).

 

Wissenschaftliche Begleitung des Round Table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft

SAP und E.ON haben im Mai 2008 einen Runden Tisch zu den Themen Mediation und Konfliktmanagement im Unternehmen initiiert. Zahlreiche Unternehmen in Deutschland wurden eingeladen, sich daran zu beteiligen. Dem Kreis gehören mittlerweile ca. 70 Personen an, darunter u.a. Vertreter der Unternehmen Airbus, Alstom, Bayer, Daimler Benz, Deutsche Bahn AG, Deutsche Bank, Deutsche Telekom, EnBW, Fraunhofer Gesellschaft, Hamburger Sparkasse, SAP und Siemens. Mitte 2023 fand bereits das 32. Treffen statt.

Der Round Table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft (RTMKM) ist als Arbeitskreis von Unternehmensvertreter:innen konzipiert, die sich in einem kooperativen Rahmen zum Thema Konfliktmanagement austauschen. Regelmäßige Treffen dienen dazu, unabhängig von Beratern und Verbänden Erfahrungen im Bereich Konfliktmanagement zu erörtern. Ziel ist es, die Interessen und Anforderungsprofile der Nutzer:innen von Konfliktmanagementverfahren weiterzuentwickeln.

Die wissenschaftliche Begleitung des Round Table erfolgt seit Mai 2008 durch das Institut für Konfliktmanagement an der Europa-Universität Viadrina, zunächst durch Prof. Dr. Lars Kirchhoff, Prof. Dr. Ulla Gläßer und Dr. Felix Wendenburg und mittlerweile durch Jenny Laube. Das Institut für Konfliktmanagement erarbeitet u.a. praxisorientierte Formate für wissenschaftliche Hintergrundanalysen und Begleitstudien. Eine wesentliche Aufgabe des IKM bestand in der Erstellung der Studienreihe zum Konfliktmanagement in der deutschen Wirtschaft sowie in der (Mit-)Konzeption und Erarbeitung der RTMKM-Verfahrenswahl-Tools DiReCt und KOMPASS. Darüber hinaus hat sich das IKM über 15 Jahre im Strategieteam des RTMKM und in den Juries engagiert, die über die Vergabe der Preise für Innovation und für Exzellenz im Bereich Mediation und Konfliktmanagement entscheiden.
 

Entwicklung von Verfahrenswahl-Tools

Aus der Erkenntnis, dass Konflikte zwischen Unternehmen oft in Verfahren verhandelt werden, die für ihre Beilegung nicht optimal geeignet sind, hat das Institut für Konfliktmanagement gemeinsam mit dem Round Table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft (RTMKM) vor einigen Jahren beschlossen, den Auswahl-Prozess von Konfliktbeilegungsverfahren zu verbessern. Da Konfliktparteien die Bandbreite der möglichen Verfahren und deren Unterschiede zumeist nicht (vollständig) bekannt sind und zu vielen möglichen Verfahren zu wenige praktische Erfahrungen vorliegen, und auch, weil im Moment des Vertragsschlusses die Charakteristika des zukünftigen Konflikts in der Regel nicht ausreichend vorhersehbar sind, wählen Konfliktparteien nicht selten Verfahren, die ihnen für die Klärung ihres konkreten Konfliktfalls nicht weiterhelfen.

Zur Behebung dieser Problematik haben IKM und RTMKM die Verfahrenswahl-Tools DiReCt und KOMPASS entwickelt. Dabei handelt es sich gewissermaßen um einen Wahl-O-Mat für Konfliktbeilegungsverfahren für den Anwendungsbereich B2B-Konflikte (DiReCt) bzw. Konflikte am Arbeitsplatz (KOMPASS). Die Tools ermöglichen es Rechts- bzw. HR-Abteilungen, durch die Beantwortung einer Reihe von konfliktbezogenen Fragen herauszufinden, welches Verfahren (Gerichtsverfahren, Schiedsverfahren, Mediation, Schlichtung etc. bzw. Gruppencoaching, Teamentwicklung, Mediation, Klärungshilfe etc.) die Verfahrensinteressen der Beteiligten am besten erfüllt.

Die Rolle des IKM bei der Entwicklung der beiden Tools bestand in der Konzeption, der Entwicklung, der Moderation von Sounding-Boards und der Durchführung von Testläufen.

Die Tools sind in der Fachöffentlichkeit sehr positiv aufgenommen worden (Testimonials 1/2)  und stehen zur kostenfreien Nutzung auf www.rtmkm.de zur Verfügung.